Wenn Tschechien heutzutage einen Klassenfeind hat, dann ist das zweifelsohne die Spanische Wegschnecke – eine braune Nacktschnecke, die aus ihrem Heimatland ganz Europa bekrochen hat und den Gärtnern ihre Ernte verzehrt. Magazine und Beilagen von Tageszeitungen übertrumpfen sich gegenseitig mit den Anleitungen, wie man den Eindringling am wirkungsvollsten beseitigt – gerade jetzt nach den ergiebigen Regengüssen nimmt das Duell von Mensch und Schnecke auf den Beeten seinen Höhepunkt. Der Biologe und Philosoph Stanislav Komárek hat merkwürdigerweise eine Schwäche für diese Kreaturen.
„Sie sind ekelhaft, schleimig und niemand hat sie gern,“ beginnt einer der letzten Artikel über Schnecken. Lässt sich an ihnen auch etwas Positives finden?
Ich bin wahrscheinlich der Einzige in Tschechien, der dies findet. Ich habe Schnecken prinzipiell gern und im Garten bringe ich sie nicht um. Sie beseitigen Pflanzenreste. Wenn ich Gras gemäht habe, brauche ich es nicht zu kompostieren oder zu verbrennen – innerhalb von zwei Wochen ist alles weg. Gehör-und Kellerschnecken besitzen ein spezielles Enzym, das in der Lage ist Zellulose aufzuspalten. Pflanzliche Zellwände bestehen daraus und die scheiden andere Tiere unverdaut wieder aus. Im Grunde sind es also nützliche Wesen – solange wir nichts anbauen, das ihnen besonders gut schmeckt.
Darin liegt wahrscheinlich das Problem. Wie überzeugen Sie die Schnecken, dass sie den Kompost vertilgen sollen, aber nicht Ihr Gemüse?
Ich bin etwas im Vorteil, weil ich im Garten nur Obstbäume, Stauden und Blumen habe. Wenn ich zufällig ein Gewächs anpflanze, das sie mögen, fressen sie es kurzerhand auf. Als Student habe ich mir früher aus Bulgarien Tabaksamen mitgebracht. Er gedieh wunderbar, aber als die Schnecken ihn registriert hatten, offensichtlich vom Nikotin begeistert, kamen sie massenhaft angekrochen und begannen ihn abzufressen. Damals meinte ich, meine Pflanzen schützen zu müssen, und kaufte ein Mittel namens Limacid und verteilte es auf dem Beet. Es kam dann dazu, dass die Schnecken daran alle starben. Dann rückte die nächste Welle nach, kroch über ihre toten Artgenossen und fraß den Tabak schließlich bis zur Wurzel auf. Es sollte also nicht sein, dass ich Tabak anbaue, das musste ich anerkennen und seit dieser Zeit lebe ich in Einklang mit den Schnecken.
Niemand gibt aber so schnell sein Gemüse auf. Was dann? Gärtnerratschläge empfehlen die Schnecken mit einem Messer zu zerteilen, sie mit Salz zu bestreuen oder mit kochendem Wasser zu übergießen.
Am rücksichtsvollsten ist es, sie einzusammeln und sie genügend weit vom Garten wegzutragen. Sie sind nämlich territorial. Eine Nacktschnecke hat zum Beispiel ein Lieblingsversteck, in das sie zurückkehrt. Es reicht also nicht sie hinter den Zaun zu werfen. Falls wir aber den Eimer mit Schnecken so einen Kilometer davon tragen, dann finden sie nicht mehr zurück. Sie haben aber Pech, so eklig zu sein, deswegen denken Menschen zumeist nur daran sie auszurotten. Dabei sind es tatsächlich bemerkenswerte Kreaturen.
Was macht sie so bemerkenswert?
Schon allein die Leistung, von der iberischen Halbinsel bis zu uns zu kriechen. Nur wenige schätzen es außerdem, wie ökologisch sie funktionieren. Sie ernähren sich von pflanzlichen Resten und heizen nicht vergebens – im Unterschied zu Menschen, die als warmblütige Lebewesen die meiste Energie für die eigene Beheizung investieren. Auch ihre Wirbellosigkeit kann nützlich sein. Als Student bin ich mit einem Freund in den Kaukasus gefahren, um kleine Nagetiere zu fangen. Heute würde ich das nicht mehr tun, aber damals haben wir ihnen Fallen gestellt und in eine solche Falle ging uns eine riesige Schnecke. Es war eine von den Fallen, die Mäusen das Genick bricht. Allerdings konnte sie sich, weil sie eben kein Rückrat besitzt, eine halbe Minute nach ihrer Befreiung in ihre ursprüngliche Form begeben und fröhlich weiter kriechen. Dieses Rückgrat ist allgemein für alle Lebewesen eine Quelle zahlreicher Leiden.
Sie haben gesagt, dass es ökologisch funktionierende Tiere sind, aber während ihrer Bewegung verschwenden sie beträchtlich viel Schleim.
Tatsache, das beherrschen sie nicht. Jedes Tierchen, uns eingeschlossen hat irgendeinen Konstruktionsfehler, Schnecken haben diesen. Spazieren gehen können sie nur in kalten Nächten oder nach dem Regen. Wegen ihrer feuchten Oberfläche können sie sich nicht in die Sonne oder in trockene Biotope wagen – sofort würden sie austrocknen. Einige Gärtner vernichten sie, indem sie sie ganz mit Salz überschütten, was für die Schnecken eine wirkliche Qual sein muss. Aber auf der anderen Seite, haben sie dank dieser Eigenschaft ein sehr angenehmes Liebesleben. Es ist wohl schwer sich in eine Schnecke hineinzuversetzen, aber einige Arten kopulieren beispielsweise mehrere Stunden in Schleimfäden hängend und eng ineinander verwoben. Das muss ein ungewöhnliches Erlebnis sein. Ein anderer Vorteil ist, dass sie Hermafroditen sind, also männlich und weiblich zugleich und somit ein beschauliches und unaufgeregtes Leben führen.
Schnecken vermehren sich vor allem deswegen so schnell, weil sie keine natürlichen Feinde haben. Weshalb ist das so – geht es doch um eine so leichte Beute?
Ich sage immer, dass Schnecken so etwas wie der Spott der natürlichen Auslese sind. Schauen Sie, was alles in der Natur konsumiert wird. Auf jedes Exkrement stürzen sich Bockkäfer und Skarabäuse. Die Larven der Bockkäfer fressen trockenes Holz, Motten alte Fäden. Also alles schwer verdauliche Substanzen. Eine Nacktchnecke ist ein großer Batzen Protein, er ist nicht giftig, ist langsam, kann sich nicht ins Schneckenhaus zurückziehen, hat keine Art von Verteidigung und kommt überall häufig vor. Ein Schneckenfresser hätte ein angenehmes Leben, und trotzdem gibt es keinen.
Vielleicht schmecken sie nicht ganz so gut?
Gehörschnecken habe ich gegessen, aber ich muss zugeben, dass ich mich über alle Neugier nicht an Nacktschnecken herangewagt habe. Vielleicht ist ihre Verteidigung, dass sie so unglaublich schleimig sind. Nacktschnecken stellen so eine Insel von Vorzeitlichkeit dar – sie sind evolutionär betrachtet besonders alt, die Art und Weise ihrer Fortbewegungsart wirkt sehr archaisch. Dennoch geht es um eine besonders florierende Art. Während das heutige Zinnkraut oder der Bärlapp nur einen traurigen Überrest im Gegensatz zu dem darstellen, was sie vor Urzeiten bedeuteten, gibt es immernoch viele Wegschnecken. Genug, damit sich führende Wochenzeitungen mit ihnen befassen.
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