Der letzte Treffer von Milan Paumer
Der Freiheitskämpfer beeinflusst auch noch nach seinem Tod die Stimmung im Land
Die Rührung, die der plötzliche Tod und das emotionale Begräbnis von Milan Paumer hervorgerufen hat, bewog den Premier und die ganze Regierung zu einem lange aufgeschobenen Schritt. Es geht um das Gesetz über den antikommunistischen Widerstand, mit dessen Hilfe Leute wie Paumer zu offiziellem Ansehen gelangen. Die ganze Gesellschaft hätte etwas davon: das Gesetz öffnet ihr nämlich den Weg, ihre tatsächlichen Helden zu entdecken.
Mit oder ohne Auszeichnung
Der Innenminister Radek John sagt, dass er diesen Augenblick so schnell nicht vergessen wird. Als er am Mittwoch den Saal des Theaters in der mittelböhmischen Stadt Poděbrady verließ, wo die offizielle Abschiednahme von Milan Paumer (79) stattgefunden hat, hielten ihn auf dem Weg zum Auto einige alte Veteranen des antikommunistischen Widerstands an. „Sie schauten mir in die Augen und jeder sagte, dass man mit der Anerkennung von Leuten, wie es Milan Paumer war, nicht länger warten könne. Dies sei wichtig für die gesamte Gesellschaft, weil dies unter anderem einen Weg für die Debatte über unsere schmerzende Vergangenheit öffnet“, berichtet John und fügt hinzu: „Zusammen mit der Atmosphäre auf dem Begräbnis hat mich das stark beeindruckt.“
Ähnliche Anregung haben auf der Trauerfeier noch andere Minister erfahren. So auch der Premierminister, der Außen- sowie der Verteidigungsminister. Dem zu Letzt genannten, Alexandr Vondra, ist auf dem Weg zurück zu der unterbrochenen Regierungssitzung eingefallen, in die Agenda der Sitzung einen Punkt hinzuzunehmen: das Gesetz über den antikommunistischen Widerstand, für dessen Billigung er sich schon Jahre einsetzt. Zwei Stunden später brachte Vondra den Vorschlag vermittels Premierminister vor und alle 15 Minister stimmten ihm zu.
Das Gesetz wurde bereits vor vier Jahren durch eine Gruppe von Senatoren um Jiří Liška (ODS) vorgeschlagen. Das Ziel war offiziell anzuerkennen, dass der antikommunistische Widerstand genauso legitim und richtig gewesen ist, wie der antifaschistische und dessen Mitglieder sollten demnach symbolisch mit einer Gedenkmedaille geehrt werden. Durch den Senat ging das Gesetz mit den Stimmen der Bürgerdemokraten leicht, aber im Abgeordnetenhaus wurde es geblockt.
Gemeinsam stellten sich die Kommunisten und die Sozialdmokraten dagegen, die durch ihren Stimmanteil bereits zum wiederholten Male seine Abstimmung verhinderten. Erstere störte allein der Fakt, dass durch die Vorschrift jemand anerkannt werden würde, der gegen ihre Diktatur ankämpft hat. Die ČSSD wiederum störte, dass das Gesetz die Taten von Menschen wie Paumer oder seinen Mitstreitern - den Mašín-Brüdern - legalisiert, die während ihres Widerstandes Kommunisten umgebracht haben. Bis heute wird dies von den Sozialisten als Mord angesehen.
Zurzeit hat das Gesetz in jedem Falle gute Chancen durchgebracht zu werden. Die Koalition, die es durchsetzen möchte hat im Abgeordnetenhaus eine satte Mehrheit und ähnlich verhält es sich im Senat. Der Standpunkt der Kommunisten und der Soziademokraten bleibt aber abweisend. Falls das Gesetz tatsächlich angenommen wird, kann dies den Blick auf die nahe Vergangenheit verändern.
Nicht weil es das kommunistische Regime als Zeit totalitärer Unfreiheit deklariert (das sagen schon andere Gesetze), sondern weil es den Widerstand und zudem auch den bewaffneten Widerstand als berechtigt erachtet und deshalb würdigt. Dies soll nicht nur durch die Auszeichnung solcher Personen mit einer symbolischer Ehrenmedaille geschehen, sondern auch durch konkrete Unterstützung, wie beispielsweise das Recht auf Kosten des Staates in ein Heim für Kriegsveteranen aufgenommen zu werden.
Als Widerstandskämpfer gegen das kommunistische Regime sieht das Gesetz diejenigen vor, welche sich am Kampf wenigstens ein Jahr beteiligt haben und „aktiv gegen das Regime vorgegangen sind, mit dem Ziel es wesentlich zu schwächen oder anderweitig der totalitären Macht zu schaden“. Das gilt in dem Zeitraum vom 25. Februar 1948 bis zum 17. November 1989. Über die Legitimität der Anträge (man rechnet mit einigen hundert davon) wird das Institut für Totalitarismusforschung urteilen. Die Antragsteller müssen über ihre Tätigkeit ein Zeugnis ablegen und gegebenenfalls Dokumente vorweisen können, welche das Institut überprüft.
Gerade stehen, bitte
Im Unterschied zum antifaschistischen wird der antikommunistische Widerstand derzeit in den Geschichtsbüchern noch nicht eingehend erwähnt. Zudem wird die Aktivität derjenigen, die sich gegen das Regime stellten, oftmals als kontrovers eingestuft, weil es sich um keinen Kampf im Kriegszustand handelte. Hinzu kommt, dass dieses Feld auch von den hiesigen Historikern nicht genügend beackert wurde. Niemand von ihnen weiß heute genau, wie viele Menschen gegen den Kommunismus ankämpften und auf welche Weise dies erfolgte. Deswegen ist die andere Seite auch wenig beschrieben – die Kommunisten und der mit ihnen verbundene Terror. Das führt laut Politologen zu einem unzureichenden Verständnis des Regimes, was die mit ihm verbundenen Risiken relativiert.
„ Das Archivmaterial über den antikommunistischen Widerstand war lange Zeit nicht zugänglich. Zudem ist auf Seiten der Zeitzeugen immer noch eine gewisse Vorsicht vorhanden, darüber zu berichten – vor allem aufgrund der Angst vor negativen Reaktion aus der Öffentlichkeit. Im Vergleich mit Büchern über den Zweiten Weltkrieg verkaufen sich geschichtliche Darstellungen über den antikommunistischen Widerstand auch schlechter“, wie es der der Militärhistoriker Eduard Stehlík erklärt. Das bestätigen auch soziologische Daten, aus denen hervorgeht, dass der Großteil der Tschechen nicht eindeutig negativ auf die kommunistische Ära zurückblicken.
„Wenn der Staat mit dem Gesetz sagt, dass er sich nicht für seine Helden schämt, kann ihre Geschichte als Richtschnur für die Zukunft dienen“, sagt Vondra und fügt hinzu: „Nirgendwo wird gesagt, dass hier immer das Paradies auf Erden sein wird. So wissen wir immerhin, von wem wir Kraft und Inspiration schöpfen können.“ Ähnlich sieht dies auch Außenminister Karel Schwarzenberg: „Eine Nation, die ihre Helden nicht kennt, ist verdammt dazu, sich immer beugen zu müssen. Das sollte sich ändern.“
Übersetzung: Majka Doms
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